A21 IN MEMORIAM EMIL OLBRICH
Emil Olbrich *17. Januar 1930 - † 1. Dezember 2019
Wenn es eine Erkenntnis gibt, die als Lebenserfahrung des Konzertstimmers und Klavierbaumeisters Emil Olbrich gelten kann, so ist es diese schlichte, geradezu mathematische Tatsache:
"Harmonie ist mit strategischem Denken und Handeln unerreichbar. Der Grad ihrer Verwirklichung kennzeichnet den zivilisatorischen Fortschritt."
Emil Olbrich hat die Schrecken des Krieges in seiner Kindheit miterleben müssen. Von daher stellte sich gar nicht erst die Frage, ob etwas anderes als Harmonie in seinem Leben jemals Priorität haben könnte, und dieses Anliegen geriet in Verbindung mit ausgesprochener Begabung und mit einer Beharrlichkeit bis zum Erreichen handwerklicher und akustischer Perfektion.
Ich verdanke meinem Ausbilder die Anregung, die Gesetzmässigkeiten der gleichschwebend temperierten Stimmung und den langen Weg der Entwicklung dorthin im kulturgeschichtlichen Kontext zu betrachten. Welche Perspektiven sich dadurch eröffnen würden, konnte man vor 30 Jahren nur ahnen. Heute ist zu bedauern, wie viele Erkenntnisse allein durch allzu enge fachliche Spezialisierung verloren gehen. Auch fehlt es an Unvoreingenommenheit, insbesondere gegenüber theologischen Sichtweisen früherer Epochen, deren Umsetzung sich im Spannungsfeld zwischen Glaubensbekenntnis (Hingabe) und Machtmissbrauch (Ausbeutung) bewegt. Dem gegenüber hat der ethische Gehalt der abendländischen Harmonielehre eine kulturübergreifende völkerverbindende Qualität: Keine Seligkeit ohne Weisheit und keine Weisheit ohne Feindesliebe.
© Aurelius Belz 2020