Die Kulturgeschichte der Tasteninstrumente als Forschungsgebiet
Aurelius Belz (Mainz 1959), Ausbildung als Cembalo- und Klavierbauer, Meisterprüfung 1989, Studium der Kunstwissenschaft, Volkskunde und Bauforschung an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Dissertation 1998, "Das Instrument der Dame. Bemalte Kielklaviere aus drei Jahrhunderten". Praktika an der Russell Collection for Early Keyboard Instruments in Edinburgh sowie am Musée Instrumental du Conservatoire national supérieur de musique et de danse de Paris. Executive-Studium der Betriebswirtschaftslehre in Zürich. Leitung der Pianowerkstätten Jecklin und Musik-Hug in Bülach. Seit Januar 2017 aktives Mitglied der Internationalen Sozietät zur musikalisch-theologischen Bachforschung / Hochschule für Musik, Würzburg.
In der Wissenschaft wie im Handwerk entscheidet allein der Bearbeitungsgegenstand, welche Werkzeuge zu fachgerechtem Einsatz gelangen
Nach diesem Grundsatz gehe ich an die Erforschung historischer Tasteninstrumente heran und lasse mich allein von deren Informationsgehalt leiten. Die Konstruktion als solche erfordert das Instrumentarium des Instrumentenmachers, die Mensur und die akustische Anlage das der Physik. Das Wappen eines Eigentümers verlangt Einblick in die Geschichte und Heraldik und die Bemalung sowie sämtliche Dekorelemente eine kunsthistorische Betrachtung. Unnötig zu sagen, welchen Wissenshintergrund zu alldem noch eine Trinitätsdarstellung abverlangt.
Bereits in meiner Dissertation betrat ich interdisziplinäres Terrain, indem ich mich mit der Gemäldeausstattung von Tasteninstrumenten auseinandersetzte. Die Arbeit mit dem Titel: «Das Instrument der Dame. Bemalte Kielklaviere aus drei Jahrhunderten», erschien 1998 in Bamberg und gibt Auskunft über die geschlechtsspezifische Zuordnung der Instrumente - nicht nur des Virginals - über den Einfluss von Religion und Kirche, über die Sonderstellung der Instrumente in der Kulturgeschichte des Möbels und stellt einen Zusammenhang her zwischen der Festgarderobe des Musikers und des Instrumentendekors. Auf diese Weise fand ich die Begründung dafür, warum der klassische Flügel von schwarzer Farbe ist. Die Bühne fordert nicht nur die musikalische- sondern auch die optische Synergiewahrnehmung von Pianist und Instrument, und die klassische Festgarderobe des Pianisten ist der Frack. Analog verhält es sich mit den Kielklavieren und den Gewändern der Dame.
Unüblich für einen Wissenschaftler ist es, Forschungsergebnisse auch in Form von Gedichten (Tastengedichte) und einer Erzählung (Die Geschichte des Keyboards) vorzulegen. Doch es ist ein Erfordernis der Zeit, den viel geschmähten Elfenbeinturm zu verlassen und auf die Menschen zuzugehen. Immerhin befinden sich Tasteninstrumente der ein- oder anderen Art heute in nahezu jedem Haushalt. Insbesondere in der Museumslandschaft war der Begriff Kundenorientierung jahrzehntelang ein Fremdwort.
Kulturgüter verlangen vernetztes Denken in besonderem Masse, und Zugang erhält, wer sich die Denkweise und Gebräuche der jeweiligen Epoche zu eigen machen kann. Die Zahlensymbolik des Mittelalters ist für mich ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis des europäischen Kulturerbes.
Eine unerwartete Entdeckung
Speziell die Symbolik des abendländischen Tonsystems erforderte darüber hinaus die Formulierung eines Modus, wie die Wissenschaft mit Glaubensbekenntnissen derartiger Grössenordnung umzugehen hat: Die Lösung besteht darin, die Wertschätzung auch dann aufrecht zu erhalten, wenn sich die vorgefundenen Gegebenheiten als rational widersinnig erweisen, denn es handelt sich um die Wertschätzung gegenüber Menschen, speziell gegenüber Andersdenkenden. Dass die in der abendländischen Musik gespiegelte Denkart des Kirchenvaters Aurelius Augustinus hierfür allgemeingültige Anhaltspunkte liefert, ist der eigentliche geborgene Schatz - der zu aller Schönheit der Harmonielehre hinzu tretende ethische Gehalt, welcher von den Griechen übernommen wurde, denn Harmonia war die Göttin der Eintracht. Allgemeingültig und überkonfessionell ist die einfache Feststellung, dass Synergiekompetenz zu Frieden führt. Seitdem hat die Musikausübung Beispielcharakter für ein harmonisches Zusammenleben, wie es Daniel Barenboim mit seinem West-Eastern Divan Orchestra anschaulich vorführt - mit arabischen und israelischen Musikern unter Verwendung eines Tonsystems voll christlicher Symbolik.