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28.07.2020

B26 Eine erste offizielle Wertschätzung?

Die Schweizerische Nationalbibliothek nimmt die vorliegende Page in das Webarchiv der Schweiz auf.

 

Ab Juli 2020 übernimmt die Schweizerische Nationalbibliothek den vorliegenden Internetauftritt in das Webarchiv der Schweiz, damit die Inhalte auch künftigen Generationen zur Verfügung stehen.

So wichtig dieser Schritt ist, da eine ganze Reihe von Belegen zusammengestellt wurden, welche bedeutende kulturhistorische Zusammenhänge aufzeigen, ist doch eine Diskrepanz gegenüber den Medien, den Bildungsdirektionen und gegenüber dem Pontificio Consiglio della Cultura feststellbar, da diese Institutionen dieselben Inhalte mehrfach zurückwiesen und sowohl von einer Berichterstattung und Publikation-, als auch von einer Aufnahme in die Lehrpläne absahen. Dabei waren die Gründe durchaus unterschiedliche. Vom Ergebnis her betrachtet wirkte das Zusammenspiel über nunmehr eine Dekade wie eine Zensur, ohne einzelne Vertreter der unterschiedlichen Institutionen namentlich verantwortlich machen zu können. Deshalb kommt zur Begründung der Begriff Zeitgeist ins Spiel.

Um die Angelegenheit ein wenig transparent zu machen, werden die genannten Ablehnungsgründe vorgestellt, soweit sie von den erhaltenen Feedbacks abgeleitet- oder direkt aus ihnen herausgelesen werden konnten.  

Vor allem Ressentiments gegenüber theologischen Inhalten wurden dem Verfasser gegenüber mehrfach zugegeben, doch täuscht die Annahme, dass es sich hierbei wohl weniger um Vertreter der Kirche handeln könnte. Die Aufdeckung der Konstruktion des katholischen Weltbildes anhand der christlichen Symbolik des abendländischen Tonsystems gibt Aufschluss darüber, wie einst einer Gesellschaft, die ausserhalb kirchlicher Einflussnahme kaum Zugang zur Bildung hatte, die Schöpfung Gottes sowie die Auferstehung als historische Tatsachen vermittelt wurden. Heute kann man nicht anders als von manipulativer Einflussnahme und angesichts der Inquisition von Machtmissbrauch sprechen. Dies freimütig einzugestehen fällt manchen Vertretern der Kirche schwer. Die haarsträubende mathematische Vorgehensweise anlässlich der Einbeziehung christlicher Symbolik in das vormals griechische Tonsystem ist jedoch nicht zu übersehen. Ob dies jedoch die konkreten Gründe waren, welche speziell das Pontificio Consiglio della Cultura zur Ablehnung mehrerer Vortragsangebote- und die Libreria Editrice Vaticana zur Rücknahme der Publikationszusage veranlassten, ist jedoch nicht zu entscheiden. Zahlreiche Rückfragen mit der Bitte um Begründung und einige Vermittlungsversuche ranghoher kirchlicher Würdenträger blieben ohne Ergebnis - und dies trotz Fürsprache des emeritierten Benedikt XVI und des Pontificio Istituto di Musia Sacra. Dabei verhält es sich nicht so, dass sich die oberste Kulturbehörde des Vatikan nicht zum eigenen Kulturerbe bekennen würde, lautete doch der Titel einer musikwissenschaftlichen Fachtagung im Vatikan 2017: "Musica sacra, scala verso Dio", womit auf die Jakobsleiter Bezug genommen wird, welche mit der Diatonik in Verbindung gebracht wurde - daher überhaupt der Begriff "Tonleiter" - bevor mit Einführung der Chromatik weitere Symbolbezüge hinzu traten. Eine inhaltliche Ablehnung kann daher nur den analytischen Teil betreffen, der die konstruierte Bezugnahme zur Hl. Schrift deutlich macht und aufklärerisches Gedankengut ins Spiel bringt.   

Voreingenommenheit findet sich auch im akademischen Bereich - vor allem dort, wo grosser Wert auf die strikte Trennung fachlicher Disziplinen gelegt wird. Einem katholischen, d.h. allumfassendem Weltbild lässt sich auf diese Weise jedoch nicht ansatzweise nahe kommen. Hierfür ist es unabdingbar, die Kulturgüter aus der Bildungsperspektive ihrer Entstehungszeit zu betrachten. Sich dieser Aufgabe zu stellen ist natürlich nicht mit einer Geringschätzung des aktuellen Kenntnisstandes verbunden, doch hilft der allein eben nicht weiter. Jede Disziplin verlangt ihr eigenes Instrumentarium – und speziell der Umgang mit Symbolik darüber hinaus eine besondere rationale Trennschärfe. Beispielsweise stehen die 1 und die 8 (Prim und Oktav) im musikalisch-sakralen Bereich für das Alpha und das Omega, in der Neonazi-Szene hingegen aufgrund der zugeordneten Buchstaben des Alphabets A und H für Adolf Hitler. Die Bedeutung eines Symbols hängt vom jeweiligen Kontext und von der vorherrschenden Weltanschauung ab. Was andersartig daher kommt, wird einfach nicht akzeptiert - eine fremde Disziplin, eine fremde Gesinnung, eine junge Generation - der Zensur zweiter, dritter und vierter Teil.    

Zu alldem kollidiert die historische Forschung mit den Interessen der Wirtschaft, der es um die Vermarktbarkeit von Produkten geht und nicht um kulturelle oder ethische Werte, die in keiner Währung je beziffert werden konnten und infolgedessen auch nicht honoriert werden. Wo die Einschätzung dahin geht, dass lediglich ein kleiner Personenkreis angesprochen werden könnte, winken die Verlage und Medien schon im Vorfeld ab. In der Analyse der öffentlichen Aufmerksamkeit – der Einschaltquoten und Klicks – zeigt sich am ehesten, was sich als Zeitgeist beschreiben liesse. Die genannten Gründe sind ein Teil davon.   

Ohne Kenntnis eines neuen Forschungsergebnisses kann sich Interesse daran natürlich nicht entwickeln. Schätzungen im Vorfeld mögen sich als fehlerhaft erweisen und eher die Voreingenommenheit des Schätzenden spiegeln. Oftmals ist es lediglich eine Frage des Vermittlungsmodus, wie die Inhalte beim Publikum ankommen.   

In all dem zeigt sich, dass interdisziplinäre kulturhistorische Forschung massiv behindert wird - und nicht einmal eine öffentliche Debatte darüber kann es geben, weil die Medien nicht mitziehen, obschon es ihre Aufgabe wäre (Informationsfunktion, Meinungsbildungsfunktion, Kontrollfunktion). Das überstrapazierte Klischee vom Elfenbeinturm greift hier nicht, und das Terrain bleibt so lange isoliert, bis Entscheidungsträger darauf aufmerksam werden und handeln, wie gerade in einem Gremium der Schweizerischen Nationalbibliothek geschehen. 

Eine Rückfrage zur Begründung führte jedoch zur Auskunft darüber, dass in der Regel keine Bewertung des Inhaltes stattfände sondern das Kriterium für den Eingang in die Sammlung lediglich der Bezug zur Schweiz sei. Dieser Bezug ist insofern gegeben, als bereits die Werke des Schweizer Musiktheoretikers Henricus Glareanus (*1488 - †1563) auf dem Index standen, der uns darüber informiert, dass "seine Zeit" von den 14 Tonarten lediglich 8 (aufgrund des Bezugs zu den 8 Seligkeiten) und selten 13 (die Zahl der Teilnehmer am letzten Abendmahl) anerkennen würde.

Ein weiterer Bezugspunkt ist der Schweizer Pianist Franz Josef Hirt (*1899 - †1985), der mit seinem 1955 vorgelegten Bildband "Meisterwerke des Klavierbaus" den Grundstein für eine kulturgeschichtliche Erforschung des Instrumentenbestandes legte, deren Ergebnisse auf dieser Page www.aurelius-belz.ch in der Schweiz vorgelegt werden.  

Die Arbeitsergebnisse jedermann kostenfrei zur Verfügung zu stellen verstösst zwar nicht gegen geltendes Urheberrecht, wäre jedoch ein absolutes No-Go, wenn es sich um materielle Produkte handeln würde. Eine Abkopplung vom Blutkreislauf der Wirtschaft und der Begriff Wertschätzung widersprechen einander. Die gegebenen Anreize fördern ein abschätziges Verhalten. Geld wird andernorts verdient.

Zeitabhängige Prioritäten des Denkens und Urteilens - wir sprachen vom Zeitgeist - haben gemeinsam, dass sie die selbstkritische Reflexion meiden wie der Teufel das Weihwasser. Frank Urbaniok warnt zu Recht vor den fatalen Folgen des Veschweigens, des tendenziösen Berichtens und des Verzerrens, die für eine Demokratie pures Gift sind. Die Basics des Faches Musik abzulehnen, ihre interdisziplinäre Verwobenheit und ihren überkonfessionellen ethischen Gehalt zu ignorieren sind Fehler, die sich eine zivile Gesellschaft nur leisten kann, wenn sie auf ihre eigene Zukunft keinen sonderlichen Wert legt.

© Aurelius Belz 2020

Anhang: Schreiben der Schweizerischen Nationalbibliothek an den Verfasser

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